A. - Der 1953 geborene A, deutscher Staatsangehöriger mit einer Aufenthaltsbewilligung B EG/EFTA bis 16. Januar 2015, meldete sich am 5. November 2010 zur Arbeitsvermittlung an und erhob ab 15. November 2010 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern eröffnete in der Folge eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 15. November 2010 bis 14. November 2012 und richtete Taggeldleistungen aus. Beim letzten Arbeitgeber, der B GmbH Betriebsstätte Schweiz, war er vom 1. Januar 2010 bis 12. November 2010 beschäftigt.
Nachdem diverse Korrespondenz geführt worden war, forderte die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom 20. Oktober 2011 den Betrag von Fr. 24684.25 für zu Unrecht ausbezahlte Leistungen vom 1. Mai 2011 bis 31. August 2011 zurück. Die Anspruchsvoraussetzung des Lebensmittelpunktes in der Schweiz sei nach Prüfung der Unterlagen ab 1. Mai 2011 nicht mehr erfüllt. Die dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 23. Dezember 2011 abgewiesen.
(...)
Aus den Erwägungen:
1. - a) Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) in Kraft getreten. Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage des Art. 8 FZA ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden (Art. 15 FZA) Anhangs II («Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit») FZA in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zuund abwandern (nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71), und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (nachfolgend: Verordnung Nr. 574/72), gleichwertige Vorschriften, an. Ab dem 1. Mai 2010 sind in den 27 EU-Mitgliedstaaten die Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 durch die Verordnung Nr. 883/2004 sowie die Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 ersetzt worden. In den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten finden die neuen Bestimmungen ab dem 1. April 2012 Anwendung und ersetzen sogleich die Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72.
b) Der Beurteilung einer Sache sind jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen, die in Geltung standen, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende und somit rechtserhebliche Sachverhalt verwirklichte (vgl. BGE 125 V 128 E. 1, 123 V 28 E. 3a, 122 V 36 E. 1 mit Hinweis). Der Beurteilungszeitraum erstreckt sich vom 1. Mai 2011 bis 31. August 2011. Für den vorliegend relevanten Sachverhalt sind unter Vorbehalt nachfolgender Erwägung gestützt auf intertemporalrechtliche Grundsätze die Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 anzuwenden.
c) Die Verordnung Nr. 1408/71 gilt unter anderem auch für Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen (Art. 4 Abs. 1 lit. g). Die entsprechenden Bestimmungen finden in der Arbeitslosenversicherung durch den Verweis in Art. 121 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) Anwendung. In Kapitel 6 des Titels III sind besondere Vorschriften für diese Leistungsart, insbesondere in Abschnitt 1 (Art. 67f.) gemeinsame Bestimmungen (Zusammenrechnung der Versicherungsoder Beschäftigungszeiten; Berechnung der Leistungen), in Abschnitt 2 (Art. 69f.) Vorschriften über Arbeitslose, die sich zur Beschäftigungssuche ins Ausland begeben und in Abschnitt 3 (Art. 71) Bestimmungen in Bezug auf Arbeitslose, die während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnten, enthalten. Unter Vorbehalt der abkommensrechtlichen Vorgaben — darunter auch des Diskriminierungsverbots (insbesondere Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71) — ist es indes Sache des innerstaatlichen Rechts festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden (vgl. BGE 131 V 214 E. 5.3).
Die Anwendung des Abkommens auf den vorliegenden Fall muss sowohl in zeitlicher (Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 und Art. 87 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004; BGE 131 V 225 E. 2.3) als auch in persönlicher Hinsicht bejaht werden. Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und damit Bürger eines Mitgliedstaates. Das erforderliche grenzüberschreitende Element ist vorliegend aufgrund der Tatsache gegeben, dass er, nachdem er in der Schweiz beschäftigt war, arbeitslos wurde, Versicherungsleistungen in Anspruch nahm und schliesslich zwecks Arbeitssuche nach Deutschland reiste.
2. - a) Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Gemäss Art. 95 Abs. 1 AVIG richtet sich die Rückforderung mit Ausnahme der Fälle von Art. 55 AVIG nach Art. 25 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Diese Bestimmung sieht vor, dass unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten sind. Bei gutem Glauben und gleichzeitigem Vorliegen einer grossen Härte kann von der Rückforderung abgesehen werden. Die Unrechtmässigkeit einer bereits bezogenen Leistung kann sich unter anderem aus Wiedererwägung Revision der leistungszusprechenden Verfügung ergeben (vgl. Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl., Art. 25 N 4).
b) Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung (BGE 122 V 134 E. 2c) und finden ebenfalls Anwendung, wenn die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen formlos verfügt worden sind (BGE 107 V 180 E. 2a in fine). Eine zweifellose Unrichtigkeit liegt nicht nur dann vor, wenn die in Wiedererwägung zu ziehende Verfügung aufgrund falscher unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde, sondern auch dann, wenn massgebliche Bestimmungen nicht unrichtig angewandt wurden (ARV 1996/97 Nr. 28 S. 158 E. 3c), wobei eine gesetzwidrige Leistungszusprechung regelmässig als zweifellos unrichtig gilt (BGE 103 V 128).
c) Es gilt das Beschäftigungslandprinzip, wonach die Sozialversicherungen des Beschäftigungsstaates zuständig sind. Es kommen die Rechtsvorschriften des letzten Beschäftigungsstaates vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zur Anwendung (BGE 133 V 144 E. 6.2, EVG-Urteil C 25/06 vom 6.6.2007 E. 3.1). Der Leistungsanspruch ist deshalb nach schweizerischem Recht festzustellen.
Ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht nur, wenn die versicherte Person in der Schweiz wohnt (Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG). Nach der Rechtsprechung erfüllt eine Person diese Anspruchsvoraussetzung, wenn sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt hier befindet, was der Fall ist, wenn sie sich effektiv in der Schweiz aufhält und wenn sie die Absicht hat, diesen Aufenthalt während einer gewissen Zeit aufrechtzuerhalten und hier in dieser Zeit auch den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen zu haben (BGE 125 V 466f. E. 2a, 115 V 448f.). Der Wohnsitzbegriff des Zivilgesetzbuches (ZGB) ist für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG nicht massgeblich (BGE 125 V 466 E. 2a letzter Absatz in fine, 115 V 449). Deshalb scheidet eine analogieweise Heranziehung des in Art. 24 Abs. 1 ZGB statuierten Grundsatzes aus, wonach der einmal begründete Wohnsitz bis zum Erwerb eines Neuen bestehen bleibt. Die Anspruchsvoraussetzung des Wohnens in der Schweiz gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG ist demnach nur erfüllt, wenn und solange der gewöhnliche Aufenthalt in der Schweiz (mit den Elementen der Absicht dauernden Verbleibens und des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen) durchgehend gegeben ist. Andernfalls besteht kein Taggeldanspruch (EVG-Urteil C 303/00 vom 31.7.2001 E. 2 a/b).
Diese zentrale Anspruchsvoraussetzung beruht auf dem im Leistungsbereich der Arbeitslosenentschädigung grundsätzlich geltenden Verbot des Leistungsexports. Zum andern ist sie Ausdruck des auch in den Mitgliedstaaten in der Arbeitslosenversicherung (ALV) geltenden grundlegenden Prinzips der Verfügbarkeit. Bei im Ausland wohnenden Personen wäre die Überprüfbarkeit und Kontrolle der Anspruchsvoraussetzungen namentlich der Arbeitslosigkeit erschwert (BBl 1980 III 546f.).
Im Anwendungsbereich des gemeinschaftlichen Koordinationsrechts ist der Begriff des Wohnens im Sinn von Art. 1 lit. h der Verordnung Nr. 1408/71 auszulegen (Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., S. 2233, Rz. 181). Das Gemeinschaftsrecht, bei welchem sich der Wohnort als Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes findet, also die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensführung und Interessen hat, überlässt die Frage, wie der Wohnort zu bestimmen ist, dem nationalen Recht (Nussbaumer, a.a.O., S. 2233, Rz. 182). Abweichungen von der Wohnortklausel können sich aber aufgrund der Übereinkommen mit den EUund EFTA-Mitgliedstaaten ergeben.
d) Mit dem in Art. 69 der Verordnung Nr. 1408/71 (Art. 25a der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, [AVIV]) vorgesehenen Export von Leistungen wird der vollarbeitslosen Person die Arbeitssuche in einem mehreren anderen Mitgliedsoder Abkommensstaaten bei weiterlaufenden Leistungen ermöglicht, ihr ein weiträumigerer Arbeitsmarkt geöffnet und damit ein Stück weit Freizügigkeit gewährleistet. Die für die Arbeitslosenversicherung zentrale Verfügbarkeit wird temporär gelockert und deren Kontrolle auf den Staat der Arbeitssuche übertragen. Die Regelung durchbricht und verdrängt somit für kurze Zeit das schweizerische Prinzip des Leistungsexportverbotes und hebt die Wohnortklausel des Art. 8 Abs. 1 lit. c und Art. 12 AVIG auf (Nussbaumer, a.a.O., S. 2487, Rz. 1000). Wechselt die arbeitslos gewordene Person nach Eintritt der Vollarbeitslosigkeit ihren Wohnort, so fällt sie aus dem Anwendungsbereich der Art. 67ff. der Verordnung Nr. 1408/71 und ihr Anspruch auf Leistung richtet sich nach Erschöpfung des dreimonatigen Leistungsexports (Art. 69) allein nach dem
innerstaatlichen Recht des neuen Wohnstaates (Nussbaumer, a.a.O., S. 2481, Rz. 983).
(...)
4. - a) Was das Wohnen und den Aufenthalt in der Schweiz anbelangt, sind den Akten divergierende Angaben des Beschwerdeführers entnehmbar. Er habe seine Mietwohnung aus Kostengründen aufgegeben. Die Liegenschaftsverwaltung sei informiert worden, dass er weiterhin unter derselben Adresse erreichbar sei. Er habe zur Untermiete im selben Haus gewohnt. Seine Untervermieterin sei in den Ferien, weshalb die Bestätigung verzögert nachgereicht werde. Später erklärt er, er habe sich vorwiegend in Privatunterkünften und Pensionen aufgehalten. Bei der Untermiete habe es sich nur um eine Zustelladresse gehandelt. Weshalb er bei der Einwohnerkontrolle X abgemeldet wurde, wisse er nicht. Er sei von der zuständigen Behörde beruhigt worden, es sei bloss eine Bestätigung der Vermieterin und der Verwalterin erforderlich, um rückwirkend wieder angemeldet zu werden.
b) Unbestrittenermassen hat der Beschwerdeführer seine Wohnung per 30. April 2011 gekündigt. Den vorliegenden Akten ist zudem entnehmbar, dass er per 30. April 2011 bei der Gemeinde X abgemeldet wurde (Formular Einwohnerdienste Gemeinde X vom 21.5.2011, letzter Druck 4.10.2011). Eine Wiederanmeldung erfolgte nicht. Am 11. Mai 2011 hat die Einwohnerkontrolle eine Zustelladresse in Y (D) erhalten. Die Verwaltung wurde entgegen beschwerdeführerischer Ansicht nicht über den Umzug innerhalb des Hauses informiert. Ebenso wenig wurde eine Bestätigung betreffend die Untermiete nachgereicht, vielmehr hat die Untervermieterin schriftlich bestätigt, dass sie lediglich die Post des Beschwerdeführers seit dem 1. Mai 2011 entgegennehme, welche dieser regelmässig persönlich abhole. Die Schutzbehauptung, dass die Untervermieterin in den Ferien weilte, stellte sich schliesslich als falsch heraus.
Aufgrund der Aktenlage, mit Blick auf den Grundsatz der «Aussage der ersten Stunde» (vgl. BGE 121 V 47 E. 2a mit Hinweisen) und der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er sich in der Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 31. August 2011 nicht hauptsächlich in der Schweiz aufgehalten hat. Das Fortdauern des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz setzt voraus, dass trotz Unterbrüchen des tatsächlichen Aufenthaltes eine enge Beziehung bestehen muss. Eine Briefkastenadresse (vgl. KS-ALE vom Januar 2007, Rz. B 137) aber gelegentliches Übernachten in Privatunterkünften und Pensionen zur Wahrnehmung von Terminen im Zusammenhang mit Arbeitgeberstreitigkeiten zur Erfüllung arbeitsversicherungsrechtlicher Kontrollvorschriften können nicht als Schwerpunkt der Lebensbeziehungen gewertet werden (vgl. EVG-Urteil C 290/03 vom 6.3.2006 E. 6.3, C 272/96 vom 30.12.1997), zumal der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Angaben in der Schweiz weder vernetzt sei, noch sich reale Chancen auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt verspreche. Dagegen spricht zudem, dass er in Y (D) seine Familie hat und zudem ist auch der Antrag auf Leistungsexport ein Indiz, sich mehrheitlich in Deutschland aufgehalten zu haben.
(...)
c) Nach dem Gesagten ist die Rückforderung der Leistungen für die Monate vom 1. Mai 2011 bis 31. August 2011 mit der Begründung fehlender Anspruchsberechtigung (Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG) nicht zu beanstanden. Vorbehalten bleibt Folgendes:
5. - Die Verwaltung verneint die Anwendbarkeit der bilateralen Vorschriften des Freizügigkeitsabkommens mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer weder ein echter noch ein unechter Grenzgänger sei.
a) Art. 71 Abs. 1 lit. a Ziff. ii und lit. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmen, dass bei Vollarbeitslosigkeit echte Grenzgänger ausschliesslich und unechte Grenzgänger für den Fall, dass sie sich den Arbeitsbemühungen ihres Wohnstaates zur Verfügung stellen, Leistungen aufgrund von Versicherungsoder Beschäftigungszeiten im Beschäftigungsstaat nach dem Recht des Wohnstaates erhalten (BGE 132 V 61 E. 6.4).
Nach Art. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1408/71 sind echte Grenzgänger Personen, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedoder Abkommensstaates ausüben und im Gebiet eines andern Mitgliedoder Abkommensstaates wohnen, in das sie in der Regel täglich, mindestens einmal wöchentlich, zurückkehren. Sie fallen unter Art. 71 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71. Die in Art. 71 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1408/71 normierten unechten Grenzgänger sind demgegenüber Personen, deren Wohnund Beschäftigungsort zwar ebenfalls in zwei verschiedenen Staaten liegen, die aber nicht mindestens einmal wöchentlich an ihren Wohnort zurückkehren. Dazu zählen beispielsweise Saisonarbeitnehmende, Arbeitnehmende im internationalen Verkehrswesen, Arbeitnehmende, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten ausüben und Arbeitnehmende, die in einem Grenzbetrieb beschäftigt sind (BGE 133 V 137 E. 1.4; Beschluss Nr. 160 vom 28.11.1995 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer zur Auslegung des Art. 71 Abs. 1 lit. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71, im Amtsblatt Nr. L 49 vom 28.2.1996, S. 31—33). Diese Regelung beruht auf der Annahme, dass die Vermittlungschancen für die arbeitslose Person an ihrem Wohnort am grössten ist (Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich AL.2010.00293 vom 14.3.2012 E. 3.4.5).
Die Beschwerdegegnerin verneint die Frage, ob der Beschwerdeführer ein echter unechter Grenzgänger ist, ohne Begründung in ihrem Einspracheentscheid vom 23. Dezember 2011 (E. 7).
b) Fest steht, dass der Beschwerdeführer vom 1. Juli 2003 bis zum 30. September 2009 in Z (D) beschäftig war. Bei seinem letzten Arbeitgeber in der Schweiz, der B GmbH Betriebsstätte Schweiz, war er vom 1. Januar 2010 bis am 12. November 2010 beschäftigt. Vom 9. Februar 2010 bis zum 16. Januar 2015 verfügt er über eine B EG/EFTA Aufenthaltsbewilligung. Der Zuzug in die Gemeinde X erfolgte am 9. Februar 2010. Der Wegzug ist datiert vom 30. April 2011. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Beschwerdeführer zumindest für die Dauer seines Anstellungsverhältnisses in der Schweiz Wohnsitz im gesetzlichen Sinn genommen hat. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer geht die Verwaltung allerdings davon aus, dass der Lebensmittelpunkt ab dem 1. Mai 2011 nicht mehr in der Schweiz war. Es erübrigen sich weitere Abklärungen dazu. Somit kann er weder als echter noch unechter Grenzgänger bezeichnet werden, weil sowohl Wohnals auch Beschäftigungsort in demselben Staat (CH) waren.
6. - Die Verwaltung hat nicht geprüft, ob die Bestimmung Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, wonach der Beschwerdeführer einen Leistungsanspruch hätte, wenn er seine Wohnung bzw. das Wohnen in der Schweiz zwecks Arbeitssuche im Ausland aufgegeben hätte, ab dem 1. Mai 2011 anwendbar gewesen wäre.
a) Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer Selbständiger, welcher die Leistungsvoraussetzungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates erfüllt und sich in einen mehrere andere Mitgliedstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen, behält seinen Anspruch auf diese Leistungen unter den in der Verordnung genannten Voraussetzungen (Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71).
Hat der Arbeitslose die Absicht, sich in einen andern Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Beschäftigung zu suchen, so hat er die Bescheinigung nach Absatz 1 vor seiner Abreise zu beantragen. Legt der Arbeitslose die Bescheinigung nicht vor, so fordert der Träger des Ortes, an den der Arbeitslose sich begeben hat, sie bei dem zuständigen Träger an (Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 574/72).
b) Die Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates hat sich zu vergewissern, dass der Arbeitslose über alle ihm aufgrund des Art. 69 der Verordnung Nr. 1408/71 und aufgrund der Durchführungsverordnung obliegenden Pflichten unterrichtet worden ist (Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 574/72). Nach Art. 69 der Verordnung Nr. 1408/72 ist die Zeitspanne für den Leistungsexport auf höchstens drei Monate beschränkt; zudem sind besondere zeitliche und sachliche Voraussetzungen zu erfüllen. Hält die versicherte Person die Vorschriften nicht ein, so kann sie ihren Anspruch auf Leistung verlieren. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung des Leistungsanspruchs dar, weshalb davon auszugehen ist, dass die Arbeitslosenkassen wegen der sie treffenden Aufklärungspflicht im Sinn von Art. 27 Abs. 1 ATSG — welche in der Arbeitslosenversicherung Anwendung findet (Art. 1 Abs. 1 AVIG) — die interessierte Person über diese möglichen Folgen klar zu informieren haben (Kieser, Das Personenfreizügigkeitsabkommen und die Arbeitslosenversicherung, in: AJP 3/2003, S. 291f.).
Gemäss Art. 27 Abs. 1 ATSG sind die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Die kantonalen Amtsstellen und die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) klären die Versicherten über Rechte und Pflichten auf, die sich aus den jeweiligen Aufgabenbereichen (Art. 85 und Art. 85b Abs. 1 AVIG) ergeben. Im Kanton Luzern schreibt § 3 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung und den Arbeitslosenhilfsfonds (SRL Nr. 890) vor, dass die regionalen Arbeitsvermittlungszentren mit den Arbeitslosen im Sinn einer Standortbestimmung Beratungsund Vermittlungsgespräche durchführen. Als Informationsund Koordinationsstelle für Beratung, Betreuung, Beschäftigung, Weiterbildung und Vermittlung weisen sie die Arbeitslosen nach der Standortbestimmung wenn nötig an die zuständigen Stellen und Einrichtungen.
Art. 27 Abs. 1 ATSG stipuliert eine allgemeine und permanente Aufklärungspflicht, die nicht erst auf persönliches Verlangen der interessierten Person zu erfolgen hat. Sie wird hauptsächlich durch Abgabe von Informationsbroschüren, Merkblättern und Wegleitungen erfüllt. Abs. 2 enthält zudem ein individuelles Recht auf Beratung (BGE 131 V 476 E. 4.1). Nach der Literatur bezweckt die Beratung, die betreffende Person in die Lage zu versetzen, sich so zu verhalten, dass eine den gesetzgeberischen Zielen des betreffenden Erlasses entsprechende Rechtsfolge eintritt. Dabei sei die zu beratende Person über die für die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten massgebenden Umstände rechtlicher tatsächlicher Art zu informieren, wobei gegebenenfalls ein Rat bzw. eine Empfehlung für das weitere Vorgehen anzugeben sei (BGE 131 V 478 E. 4.3). Zum Kern der Beratungspflicht gehört auf jeden Fall, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten (vorliegend: Stellensuche im Ausland) eine Voraussetzung des Leistungsanspruchs gefährden kann (BGE 131 V 480 E. 4.3).
Unterbleibt eine Auskunft entgegen gesetzlicher Vorschriften obwohl sie nach den im Einzelfall gegebenen Umstände geboten war, hat die Rechtsprechung dies der Erteilung einer unrichtigen Auskunft gleichgestellt (BGE 131 V 480 E. 5, 124 V 221 E. 2b). Abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, welcher den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten schützt, können falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen (BGE 131 V 480 E. 5, 127 I 36 E. 3a, 126 II 387 E. 3a) eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Der versicherten Person darf es nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Verwaltung sie nicht auf ihre Pflichten hinweist.
c) Der Beschwerdeführer hat die Leistungsvoraussetzungen im Mitgliedstaat Schweiz unbestrittenermassen erfüllt. Das Fehlen der Leistungsvoraussetzung nach Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG ist vorliegend nicht hinderlich, da die Regelung von Art. 69 der Verordnung Nr. 1408/71 die Wohnortklausel aufhebt (vgl. E. 2d).
Es steht nicht fest, ob das RAV den Beschwerdeführer über die Modalitäten des Leistungsexportes für die vorliegend relevante Zeit vom 1. Mai 2011 bis 31. August 2011 aufgeklärt hat. Gemäss den vorliegenden Beratungsprotokollen ist dies immerhin zweifelhaft. Ob der Beschwerdeführer sich tatsächlich und hauptsächlich zwecks Arbeitssuche nach Deutschland und Österreich begeben hat, ist den Akten nicht zuverlässig zu entnehmen. Immerhin aber wurde bereits im Beratungsprotokoll vom 10. März 2011 eine Stellenabsage bei der Firma C (D) notiert. Bereits im Protokoll vom 31. Mai 2011 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer weggezogen sei. Eine konkrete Beratung, wie es sich mit der Stellensuche im Ausland verhalte, wäre angezeigt gewesen. Hierzu existieren konkrete Merkblätter (etwa des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes [EVD]: Ergänzungsinformation zum Info-Service «Arbeitslosigkeit» Ein Leitfaden für Versicherte, Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland [EUoder EFTA-Mitgliedstaat], Ausgabe 2011 [neu auch Ausgabe 2012]).
Ob die vertrauensschutzrechtlichen Grundsätze vorliegend greifen, bleibt zu prüfen. Es ist zu klären, ob sich die allfällige Unterlassung der Information für den Versicherten nachteilig ausgewirkt hat. Es ist aufgrund der Akten nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt, ob allenfalls innerhalb des Zeitraums vom 1. Mai 2011 bis 31. August 2011 bereits die Möglichkeit für einen Leistungsexport bestanden hätte und um welchen Betrag sich die Rückforderung deshalb reduzieren würde.
7. - Nach dem Gesagten hält der angefochtene Einspracheentscheid nicht stand. Er ist daher aufzuheben und die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie unter gehöriger Mitwirkung des Beschwerdeführers die erforderlichen Abklärungen trifft.
(...)
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